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Das Ego im Coaching - Woran du es erkennst und wie du es zügelst

Christine | VISION SESSION | Die Vision führt uns an  - Der Podcast für visionäre Team- und Organisationsentwicklung

Wenn du selbst Berater*in, Coach*in oder Trainer*in bist, dann ist es dir sicherlich ebenso wie mir wichtig, gute Arbeit zu leisten und Menschen gut in ihren Prozessen zu begleiten. Ich kann mir vorstellen, dass auch du dich freust, wenn du von einem Kunden die Rückmeldung bekommst, dass die Zusammenarbeit mit dir erfolgreich war oder als nützlich und hilfreich erlebt wurde. 

 

Unsere Tätigkeit ist in erster Linie eine Dienstleistung. Das bedeutet, dass es bei dieser Dienstleistung nicht um uns geht, sondern ganz zentral um unser Gegenüber. Es geht um Führungskräfte, die ihr Potenzial entwickeln und entfalten wollen. Um Teams, die neue Prozesse und Strukturen (er-)finden wollen. Um Unternehmen, die ihre Hierarchien aufweichen und verflüssigen wollen. Und um viele andere Aufträge und Anliegen. 

 

All diese Aufträge kommen von unserem Gegenüber. Und ganz im Sinne der Aufträge arbeiten wir auch.

 

Oder?

 

Ja, ich weiß! Es könnte so einfach und simpel sein. Wenn es da nicht manchmal ganz andere Strömungen in uns gäbe, die unseren Fokus weg vom Auftrag lenken und hin zu unseren ganz persönlichen Bedürfnissen und Belangen. 

 

Und genau darüber möchte ich heute mal sprechen. Und zwar ganz konkret über unser Ego und darüber, woran du bemerkst, dass sich dein Ego in das Coaching einschleicht. Und glaube mir, ich nehme mich selbst dabei nicht aus. Denn ich bin auch nur ein Mensch. Wir alle können uns nicht davon freisprechen, dass sich da manchmal unsere persönlichen Belange in den Prozess einschleichen. Und uns möglicherweise den Fokus stehlen. 

 

Mir ist es wichtig, dieses Thema aufzugreifen, da gerade dann, wenn sich unser Ego in den Prozess einschleicht, die wunderbare Wirkung des Coachings eingeschränkt werden kann. Umso wichtiger ist es, dass wir dieses Einschleichen bemerken und unser Ego zügeln. Also neben den Faktoren, an denen du bemerkst, dass da gerade dein Ego wirkt, gibt es für dich auch Ideen, wie du es auch wieder einstück beiseite nehmen kannst. 

 

Bereit? Dann lass uns mal loslegen mit den 3 Dingen, an denen du bemerkst, dass sich dein Ego in den Prozess einschleicht. 

#1 Du denkst, du bist der Change-Maker

Ach, es ist doch so verlockend, oder? Wenn die Prozesse im Unternehmen oder in den Teams, mit denen wir arbeiten, gut laufen und wir die Rückmeldung erhalten, dass sich das Team oder das Unternehmen aufgrund unserer Person so gut entwickeln konnte. Ja, dann liegt es manchmal sehr nahe, dass wir diese Rückmeldung wortwörtlich nehmen. Einfach, weil wir uns dadurch auch geschmeichelt fühlen. 

 

Tatsächlich ist es ja auch völlig in Ordnung, sich selbst gut zu finden und auf die eigene Arbeit stolz zu sein. Und ich möchte jetzt auch nicht bestreiten, dass du einen großen Anteil an dem Verlauf eines Beratungsprozesses hast. Und dass du auch sicherlich zum Gelingen eines Prozesses beiträgst. Das ist ganz sicher so.

 

Und doch ziehe ich da eine Grenze, wo der Gedanke entsteht, ich hätte als Beraterin das Team oder das Unternehmen entwickelt. Als sei ich quasi der Change-Maker! 

 

Leider finde ich diesen Gedanken noch immer so weit verbereitet. Und ich wette mit dir, auch du hast schon so Sätze von Kollegen vernommen, die folgenden Inhalt hatten:

 

"Ach, was ich aus denen gemacht habe!" oder "Wenn die mich nicht gehabt hätten!

 

Das ist sicherlich etwas ganz Natürliches und hat etwas mit unserem Ego zu tun. Denn das Ego denkt grundsätzlich, es sei getrennt von anderen. Es lebt so sehr in der Trennung, dass es nicht erkennen kann, dass ein Beratungsprozess zwischen uns Menschen entsteht. In unserem Zwischenraum. Das Ego erzeugt die Illusion der Trennung. Und wir denken dann, wir würden Prozesse "steuern". Völlig unabhängig von den übrigen Beteiligten.

 

Die Gefahr dahinter ist, dass wir uns selbst mit diesen Gedanken groß machen und uns schmeicheln. Gleichzeitig machen wir all die anderen Beteiligten klein. Wir machen sie kleiner, als sie sind. Wir erkennen ihre Ressourcen und ihren Anteil am Prozess nicht an. 

 

Je mehr ich also von mir selbst denke, ich sei der Change-Maker, desto weniger kann ich die vorhandenen Ressourcen meines Gegenübers überhaupt noch sehen. Und das ist schlussendlich unglaublich kritisch für den Prozess und wenig hilfreich für Teams und Unternehmen. 

 

Was also tun? Wenn uns auffällt, dass unser Ego einmal wieder diese Illusion der Trennung erzeugt und uns weismachen möchte, dass wir die Change-Maker sind, dann komm, lass uns bescheiden sein. Lass uns Bescheidenheit üben! 

 

Wenn dir dein Ego das nächste Mal die Illusion dieser Trennung auftischt, dann - okay, klopf dir einmal auf die Schulter und dann - , gehe mal ganz bewusst in den Gedanken der Verbundenheit. Denn alle waren an dem Prozess beteiligt. Und alle haben ihre Ressourcen in den Prozess hinein gegeben, damit er gelingen konnte. Du genauso wie dein Gegenüber. Dieser Gedanke ist nicht nur hilfreich, er ist auch irgendwie erleichternd. Oder? 

#2 Time to say goodbye! oder Never ending story?

Manchmal, wenn wir von uns selbst denken, dass wir die einzigen seien, die das Team, das Unternehmen so gut entwickeln können - weil wir es zum Beispiel schon so gut kennen und auch genau wissen, was es braucht - dann kann es uns sehr schwer fallen, Abschied zu nehmen. 

 

Im schlimmsten Falle bleiben wir... und bleiben wir... und bleiben wir.

NEVER ENDING STORY! 

 

Ich vergleiche die Tätigkeit als Coachin oder Beraterin gern mit einer Wolke, die über eine Landschaft hinweg fliegt. Eine Wolke ist eine freies Element. Sie spendet vielleicht eine Zeit Schatten und lässt ein paar Regentropfen da. Und dann zieht sie weiter. Eine Wolke wird niemals ein Baum. Sie schlägt niemals Wurzeln. Sie lässt sich auch nicht anketten oder anleinen. Und das ist auch gut so. Irgendwann möchte vielleicht auch mal wieder die Sonne durchkommen.

 

Ganz praktisch heißt das für mich: Nach 2-3 Jahren beende ich die Arbeit mit einem Team oder einem Unternehmen. Denn ich weiß, dass ich mir von den Menschen vor Ort schon zu sehr ein Bild gemacht habe, als dass ich noch hilfreiche Fragen stellen könnte. Es heißt auch, dass ich mich mit den Menschen in den Einrichtungen und Unternehmen zu sehr eingespielt habe, als dass ich noch Regeln hinterfragen könnte. 

 

Nach all der Zeit zusammenzubleiben wäre sehr kontraproduktiv für das Team. 

 

Das bedeutet aber auch, dass ich loslassen muss. Und genau dieses Loslassen fällt unserem Ego so unfassbar schwer. Denn unser Ego hat die Aufgabe, uns zu schützen und uns Sicherheiten aufzubauen. Es hat das Bedürfnis nach Kontrolle und versucht an dem festzuhalten, was es hat und was es kennt. 

 

Ja, es hat für viele andere Lebensbereiche eine absolute Berechtigung. Nur im Beratungsprozess ist es damit eher hinderlich.

 

Das Ego fragt auch in erster Linie was es haben kann, als nach dem, was es geben könnte. Im Sinne eines guten Beratungsprozesses müssen wir aber geben können. Dazu gehört auch abzuGEBEN. Zum Beispiel an einen neuen Berater, der mit frischem Blick dem Team wieder neugierige Fragen stellen kann. 

 

Wenn es mir gelingt mein Ego im ersten Punkt zu zügeln und ich mich in Bescheidenheit übe, dann wird es mir auch leichter fallen, loszulassen. Denn dann werde ich ganz sicher in mir wissen, dass es dort draußen noch viele andere tolle Berater*innen gibt, die das Team, die Führungskraft oder das Unternehmen wunderbar begleiten können. 

 

Also, wenn es uns auffällt, dass das Ego so festhält und klammert: Lass uns mal ganz bewusst loslassen! Und lass uns vom Haben-Wollen mal ganz bewusst in das Geben übergehen.

#3 Du brauchst das Team mehr, als das Team dich!

 

Hach, schwieriger Punkt! Und so sehr verknüpft mit den vorherigen Punkten. Natürlich kannst du die Formulierung hier auch abändern. Zum Beispiel in: Du brauchst die Führungskraft mehr, als die Führungskraft dich. Oder: Du brauchst das Unternehmen mehr, als das Unternehmen dich. 

 

Ganz konkret meine ich: Was ist eigentlich, wenn wir von uns selbst denken, wie seien bedürftig? Und wir bräuchten jetzt unbedingt diesen Auftrag? Also mit dieser Führungskraft, mit diesem Team, mit diesem Unternehmen.

 

Dieser Gedanke kann ja unterschiedliche Gründe haben. Vielleicht liegen da finanzielle Gründe vor. Vielleicht ist es ein lukrativer Auftrag, der uns lange viel Sicherheit und Stabilität sichert. 

 

Gerade im Rahmen einer selbstständigen Tätigkeit als Coach*in, Berater*in, Trainer*in, können wir uns ja nicht davon lossprechen, dass es auch um unsere Refinanzierung geht. 

 

Problematisch wird es aber dann, wenn dieser Faktor im Vordergrund steht. Wenn das passiert, und wir uns quasi selbst erzählen, wir bräuchten den Auftrag unbedingt, dann sind wir nicht mehr gut in der Lage zu prüfen, ob wir überhaupt die richtige Person für den Aufrag sind. Wir sind dann nicht mehr in der Lage, gut zu schauen, ob zwischen uns und dem Team die Chemie stimmt. Ob der Auftrag zu uns, unseren Werten, unserer Positionierung passt. Ob wir überhaupt mit diesem mitgehen können. 

 

Die Idee der Bedürftigkeit ist ebenso von unserem Ego hausgemacht. Denn unser Ego neigt zu Mangeldenken. Es denkt, es müsse um Ressourcen kämpfen, da nicht genügend für alle vorhanden ist. Wir geraten mit dem Ego an unserer Seite dann schnell in Angst und Stress. 

 

Ich denke, dass dies einer der schwierigen Punkte es. Denn hier geht es nicht nur um das Loslassen selbst, sondern vor allem um das Vertrauen. Um das Vertrauen darauf, dass wir Aufträge getrost abgeben können, wenn sie nicht zu uns passen, weil da schon die richtigen Aufträge zu uns finden werden. Vertrauen darauf, dass für uns immer genug vorhanden sein wird. 

 

Erst dieses Vertrauen ermöglicht es uns auch für unsere Auftraggeber gute Arbeit zu leisten. Denn dann können wir Aufträge getrost ablehnen oder an einen anderen kompetenten Kollegen weiterleiten. Dem Team, der Führungskraft, dem Unternehmen hilft dies ungemein. 

 

Und daraus ergibt sich ein so schöner Nebeneffekt: Wenn wir im Vertrauen sind, müssen wir mit unseren Beratungskolleg*innen nicht in Konkurrenz treten. Mit dem Gedanken, dass für uns alle genug vorhanden ist, schaffen wir Synergien und Kooperationen. Und damit haben wir am Ende alle gewonnen.

 

Was könnte es Schöneres geben? 

Zum Schluss

Es kann schon einen riesigen Unterschied machen, diese Strömungen des Egos in uns wahrzunehmen. Und erst recht macht es einen Unterschied für uns und unsere Beratungspraxis, wenn wir uns in Bescheidenheit üben, loslassen und vertrauen. Mit diesen Aspekten lässt sich unser Fokus auf den jeweiligen Auftrag und auf unser Gegenüber halten. Mit dem Üben dieser Haltung wird unsere Beratungspraxis wirksamer und professioneller! 

 

Wenn du dazu noch eine praktische Übung haben magst, dann kann ich dir die letzte Episode empfehlen, in der es um deine Sinnausrichtung und um dein Wofür ging. Denn, je mehr wir den Sinn unserer Tätigkeit kennen, je mehr wir uns und unser Business sinnorientiert ausrichten, desto weniger kann sich unser Ego einschleichen und uns in die Quere kommen. 

 

In der kommenden Episode werden wir uns das Ego unseres Gegenübers anschauen. Dort schauen wir auf eine kleine Übung, die Teams und Führungskräften dabei hilft, langfristig mit Sinn und Visionen zu arbeiten und damit auch langfristig das Ego im Team zu zügeln. 

 

Bis zum nächsten Mal. Hab' eine gute Zeit. 



Deine Coachin: Christine Neumann

Systemische Supervisorin und Coachin | NEW WORKERIN | Solopreneurin | 

Visionärin | Instagram: visionscoachin | Facebook: visionscoachin | 


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